Wer ist John Scott? Überall in Los Angeles klebten gelbe Sticker mit dieser Frage: in Bussen, Bahnen, auf Wänden. Jetzt hat die Polizei den bisher ältesten Graffiti-Vandalen geschnappt: John Scott, 74 Jahre alt. Wer das ist, fragen sich seit langem viele Menschen. Er tat alles dafür, damit das so ist.
Seit rund einem halben Jahr, sagt die Polizei von Los Angeles, sei sie John Scott auf den Fersen gewesen. Wegen der vielen hundert Sticker, die der Mann auf Laternenmasten, auf und in U-Bahnen, auch auf Busfenstern hinterließ. Regelmäßige Nutzer des öffentlichen Nahverkehrs haben eine andere Wahrnehmung. In der örtlichen Presse hieß es zuletzt häufiger, dass seit weit über einem Jahr die Dinger überall geklebt hätten.
Sticker in Orange, mit schwarzer Schrift sind das: "Who is John Scott?" steht darauf. Jetzt ist diese Frage beantwortet.
Beamte einer Anti-Graffiti-Einheit erwischten John Scott, 74 Jahre (die "LA-Times" sagt, er sei 73), auf frischer Tat, wie er wieder einmal einen seinen Sticker auf öffentlichem Hab und Gut festpappte. In der Jacke und in seinem mit einem der Sticker verzierten Aktenkoffer habe er weitere Aufkleber gehabt, heißt es im Protokoll der Verhaftung. Die Polizei von L.A., steht in einer ungewöhnlich humorigen Meldung der Nachrichtenagentur AP zu lesen, habe damit den bisher ältesten Graffiti-Vandalen aufgegriffen. Bisher habe ein 36-jähriger diesen Rekord gehalten. Für US-Strafverfolger ist das dasselbe: Sprühen oder Kleben - beides ist Sachbeschädigung.
Wer ist John Scott?
Was nicht viel heißt - außer, dass Scott sich in L.A. bisher eben nicht erwischen ließ. Glaubt man einem Scan aus dem "Honolulu Star-Bulletin", der zweitgrößten Tageszeitung Hawaiis, dann wurde er schon im März 1976 aufgegriffen, weil er ohne Genehmigung T-Shirts verkauft hatte. Scott hatte demnach damals eine Aktentasche dabei, auf der ein Sticker klebte, der eine Frage an die Welt stellte: "Who is John Scott?"
Wenn das wahr ist, dann wäre Scott bereits seit über 30 Jahren im Geschäft. Es ist schwer zu fassen, dass er schwer zu fassen gewesen sein soll. Der Mann betreibt eine Website, auf der er sich und seinen Allerweltsnamen zum Mysterium stilisiert.
Wie passend, findet man doch ständig andere John Scotts, wenn man nach ihm sucht: Allein die englischsprachige Wikipedia verzeichnet 15 Politiker dieses Namens, vier Autoren, vier Sportler und sieben weitere John Scotts, die aus anderen Gründen prominent sind. John Scott ist ein Jedermann, ein Dirk Müller, Uwe Schneider, Holger Mayer, John Doe. Da kann man sich schon mal fragen, wer oder was eigentlich für diesen Namen steht.
John Scott ist überall
Im Falle des 74-jährigen, Sticker klebenden Webseitenbetreibers, Namen-Fragestellers und ultimativen Selbstvermarkters John Scott, der wie schon 1976 auch heute T-Shirts verkauft, ist das ein ältlicher schwarzer Mann mit grauen Haaren und ebensolchem Bart. Auf einigen Flickr-Fotos ist er zu besichtigen, wenn man denn nach ihm zu suchen beginnt.
Denn wie 1976 läuft er auch heute noch mit seinem Aktenkoffer herum, der die Welt fragt, wer denn nun John Scott ist. Er lächelt offenbar gern in die Kamera, und man ahnt, warum er fotografiert wurde: Weil der Fotograf ihn erwischte, ihn, den Sticker-Kleber. Weil er damit die Antwort gefunden hat, wer dieser John Scott ist. Seht her, sagen diese Flickr-Fotos: Das ist John Scott. Auf einem Polizeibild, das die "Los Angeles Times" veröffentlichte, sieht er trauriger aus. Wieder auf einem anderen blickt er ertappt in die Kamera: "Ich glaube, der Kerl mit dem Aktenkoffer ist es", hat der Fotograf unter das Foto geschrieben. Kleine Beweise, dass das von Scott selbst gestellte Rätsel zu wirken begann.
Wer Genaueres wissen will, den lädt John Scott auf seine Website ein, die Adresse prangt ebenfalls auf den Stickern. Auch seine Postadresse ist dort zu finden, weil er ja will, dass man ihm Geld schickt: Für John-Scott-Aufkleber, für John-Scott-T-Shirts oder die Wer-ist-John-Scott-Baseballmütze. Wie gesagt, es ist schwer zu fassen, dass der Mann schwer zu fassen gewesen sein soll.
Und mit dem späten Zugriff hat er es nun endlich geschafft. Die Adresse der Webseite geht um die Welt. Für eine lange Zeit hat Scott offenbar versucht, sich selbst zur Marke zu machen. So wie ein Sprayer, der nicht mehr als seine Initialen vieltausendfach auf Wände sprüht und so zum Prominenten wird. Scotts Duftmarke sind die Aufkleber mit ihrer unendlich oft wiederholten Frage nach etwas, das einen bis zum Lesen der Frage gar nicht interessiert hat. Wer ist John Scott, das will man wohl wirklich irgendwann wissen, wenn man es nur oft genug liest.
Sein Motiv, sagen die Polizisten in Los Angeles, sei wohl dasselbe wie bei den Graffiti-Sprayern. Eine Art Eitelkeit. Sie haben es nicht verstanden, diese Frage, diese Botschaft, dieses Motiv: T-Shirts und Basecaps und Sticker will er verkaufen, der John Scott, diese selbst gemachte Marke. Dieser Mann, der Merchandizing treibt mit seiner Un-Prominenz.
Wetten, dass das jetzt besser klappt?
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